Die Geschichte Albaniens ist voller Wendungen und Herausforderungen: von alten Wurzeln und Fremdherrschaften bis zu den Errungenschaften der Moderne. Das kleine Land auf der Balkanhalbinsel stand immer wieder unter dem Einfluss mächtiger Reiche, bevor es schliesslich seine Unabhängigkeit errang. In diesem Artikel nehmen wir dich mit auf eine Zeitreise durch Albaniens bewegte Vergangenheit, in der das Land seinen eigenen Weg zur Freiheit gefunden hat - und du erfährst, wie Albanien zur Nation wurde, die es heute ist.
Illyrer, Römer und die antiken Wurzeln
Die ersten Siedlungen im Gebiet des heutigen Albaniens reichen bis in die Steinzeit zurück, doch erst die Illyrer im ersten Jahrtausend v. Chr. legten den Grundstein für die albanische Kultur. Die illyrische Identität prägte das Land stark – bis zur römischen Eroberung im Jahr 167 v. Chr. Die Region wurde Teil des Römischen Reiches und profitierte von Handel und Infrastruktur, blieb jedoch tief mit ihren illyrischen Wurzeln verbunden.
Nach dem Zerfall des Weströmischen Reiches kam Albanien unter die Herrschaft des Byzantinischen Reiches. Diese Epoche brachte kulturelle und religiöse Einflüsse mit sich, die noch heute spürbar sind, vor allem in den byzantinischen Kirchen und Klöstern, die in Albanien stehen. Einige davon zählen inzwischen zum UNESCO-Weltkulturerbe.

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Fremdherrschaft und die Entstehung einer albanischen Identität
Über Jahrhunderte hinweg wurde das albanische Territorium von fremden Mächten beherrscht. Besonders prägend war die osmanische Herrschaft, die Ende des 14. Jahrhunderts begann und fast 500 Jahre dauerte. Die Einbindung Albaniens in die türkisch-orientalische Kultur veränderte die Region nachhaltig, da viele Albaner zum Islam konvertierten – mehr als in jedem anderen Balkangebiet. Heute gibt es im Norden noch katholische, und im Süden orthodoxe Gemeinschaften.
Ende des 19. Jahrhunderts entstand im Zuge des nationalen Erwachens auf dem Balkan auch in Albanien eine Bewegung, die eine nationale und kulturelle Autonomie forderte. Diese Sehnsucht führte schliesslich 1912, im Kontext der Balkankriege, zur Ausrufung der albanischen Unabhängigkeit. In diesem Zuge wurde übrigens auch Tirana zur Hauptstadt: 1912 war Tirana noch eine relativ kleine Stadt, aber ihre zentrale Lage und der Zugang zu wichtigen Verkehrswegen machten sie zu einem strategischen Wahlort für die Hauptstadt.
Internationale Anerkennung erfuhr nach der Unabhängigkeitserklärung allerdings nur ein Teil des albanischen Gebiets; der Rest wurde von Serbien, Montenegro und Griechenland besetzt.
Erster und Zweiter Weltkrieg: Der junge Staat und wechselnde Einflüsse
Nach der Unabhängigkeitserklärung Albaniens 1912 war der junge Staat in einem geopolitischen Spannungsfeld eingebettet. Im Ersten Weltkrieg (1914–1918) wurde Albanien wiederholt von verschiedenen Truppen besetzt. Obwohl es formal neutral war, diente das Land als strategisches Durchgangsgebiet für Truppen und Versorgungslinien. Die Entente-Mächte, darunter französische und britische Soldaten, sowie die deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen wechselten sich ab. Die ständigen Besetzungen durch verschiedene Mächte destabilisierten das Land, das angesichts territorialer Ansprüche seiner Nachbarn und wechselnder Fronten zunehmend bedroht war.
Nach dem Krieg erlebte Albanien eine Phase politischer Unsicherheit, und Ahmet Zogu strebte eine Monarchie an, um das Land zu stabilisieren. 1928 erklärte er sich zum König Zogu I., doch sein Regime war finanziell angeschlagen und von der zunehmenden Einflussnahme Italiens geprägt.
Italienische Invasion und Besatzung
Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs (1939) setzte Italien seine Expansion fort und marschierte unter Benito Mussolini in Albanien ein. Albanien wurde zu einer italienischen Kolonie, und in einer sogenannten „Personalunion“ übernahm der italienische König Victor Emanuel III. auch offiziell die Krone Albaniens. Doch diese Besatzung war nur der Auftakt zu einer noch turbulenteren Zeit. Denn: Nach der Kapitulation Italiens entwickelten sich neue Widerstandsbewegungen, die sowohl gegen die deutschen Besatzer als auch gegen die Italiener kämpften.
Der Weg zur kommunistischen Diktatur
Diese Bewegungen – sowohl kommunistische als auch nationalistische – führten einen Guerillakrieg gegen die Besatzungsmächte an der Westfront. Besonders die kommunistische Partei Albaniens unter Enver Hoxha spielte eine zentrale Rolle. Zu dieser Zeit waren deutsche Soldaten auf der Westfront der Balkankriege stationiert, und die alliierten Truppen der Entente sowie die USA unterstützten die lokalen Widerstandsgruppen. Die Franzosen und die britischen Soldatenkämpften ebenfalls auf der Balkanhalbinsel gegen die Achsenmächte. Doch die deutschen Truppen waren nach wie vor dominant und führten massive Offensiven gegen die Widerstandsbewegungen durch. Nachdem die deutschen Soldaten 1944 allerdings ihre Offensive verloren hatten, setzten sich die Kommunisten durch und befreiten das Land von der Besatzung. Dieser Sieg ebnete den Weg für Hoxhas kommunistische Diktatur, die Albanien für die kommenden Jahrzehnten prägen sollte.
Die formelle Monarchie und die parlamentarische Demokratie wurden abgeschafft, und Albanien wurde zu einem kommunistischen Staat nach sowjetischem Vorbild umgestaltet. Dieses politische System etablierte eine Einparteienherrschaft und verfolgte eine strikte Anti-Imperialismus-Politik, die das Land zunehmend von westlichen Staaten, aber auch von früheren Verbündeten wie Jugoslawien und der Sowjetunion isolierte.
Das kommunistische Albanien: Isolation und Einparteienherrschaft
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Albanien unter der Führung Enver Hoxhas in eine strenge kommunistische Diktatur verwandelt. Die Kommunistische Partei übernahm die vollständige Kontrolle, und Hoxha etablierte eine Einparteienherrschaft, die Opposition systematisch verfolgte. Der Geheimdienst Sigurimi überwachte die Bevölkerung rigoros, und politische Gegner wurden inhaftiert oder ins Exil gezwungen. In einem radikalen Schritt erklärte Hoxha Albanien 1967 zum ersten „atheistischen Staat“ und liess religiöse Institutionen verbieten.
Isolation von Ost und West
Aussenpolitisch durchlief Albanien mehrere radikale Wendungen: Nach dem anfänglichen Bündnis mit der Sowjetunion kam es 1961 zum Bruch, als Hoxha die Entstalinisierung Moskaus kritisierte. In den folgenden Jahren wandte sich Albanien an China, jedoch brach auch diese Allianz nach 1978 auseinander, als China diplomatische Beziehungen zu den USA aufnahm. Von da an setzte Hoxha auf absolute Selbstversorgung und völlige Isolation. Symbolisch für diese Politik waren die massenhaften Betonbunker im ganzen Land, die das Regime in ständiger Angst vor einem Angriff errichten lies.
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Niedergang des Regimes
Die Abkehr von internationalen Handelsbeziehungen führte Albanien in eine wirtschaftliche Sackgasse. Die zentralisierte Wirtschaftspolitik und die erzwungene Kollektivierung in der Landwirtschaft liessen die Produktivität sinken. Versorgungsengpässe und ein geringer Lebensstandard bestimmten das Leben der Bevölkerung, während das Land technologisch und wirtschaftlich immer weiter zurückfiel.
Nach Hoxhas Tod 1985 übernahm Ramiz Alia, der den Druck zu Reformen aber nur langsam zuliess. Erst mit den Umwälzungen des Kalten Krieges begann sich Albanien zu öffnen. 1990 endete die kommunistische Herrschaft endgültig, und das Land schlug den langen Weg zur Demokratie ein. Hoxhas Vermächtnis prägt Albanien bis heute: Seine Politik hinterliess ein isoliertes, wirtschaftlich schwaches Land, das bis heute an den Folgen zu tragen hat.
Bürgerkrieg und Kosovo-Konflikt
Der Sturz des kommunistischen Regimes im Jahr 1990 öffnete Albanien zur Welt. Doch der Weg zur Demokratie war voller Hürden: Korruption, wirtschaftliche Krisen und soziale Unruhen prägten die 1990er Jahre. Besonders schwer traf das Land der Zusammenbruch mehrerer Schneeballsysteme 1997, bei dem viele Albaner ihre gesamten Ersparnisse verloren. Die daraus resultierenden Unruhen führten zu einem Bürgerkrieg, der nur durch die Präsenz internationaler Truppen beendet werden konnte.
1999 erreichte Albanien ein weiterer schwerer Konflikt durch die Krise im benachbarten Kosovo. Als die Spannungen zwischen serbischen Kräften und der kosovo-albanischen Bevölkerung eskalierten, griff die NATO ein, um die serbischen Truppen zum Rückzug zu zwingen und eine humanitäre Katastrophe abzuwenden. Die NATO-Intervention führte zu einer massiven Fluchtbewegung aus dem Kosovo, bei der Hunderttausende kosovo-albanische Flüchtlinge nach Albanien kamen. Der Albanienkrieg prägte die Region nachhaltig und zeigte, wie sehr die instabile Lage auf dem Balkan Albanien beeinflusste. Das ohnehin geschwächte Albanien stand damit vor einer weiteren grossen Herausforderung, die wirtschaftliche, soziale und logistische Ressourcen auf eine harte Probe stellte.
💡 Good to Know: Was ist der Unterschied zwischen Albanien und Kosovo? Albanien und Kosovo sind geographisch nahe, teilen viele ethnische und sprachliche Gemeinsamkeiten, da beide vorwiegend von ethnischen Albanern bewohnt werden. (Das erklärt auch einige Besonderheiten der albanischen Sprache, wie die Unterteilung in den gegischen und toskischen Dialekt.) Während Albanien ein souveräner Staat ist, der 1912 seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich erklärte, erklärte Kosovo 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien, was jedoch nicht von allen Ländern anerkannt wird, darunter Serbien, Russland und China. Beide Länder haben turbulente politische und kriegerische Geschichte hinter sich, insbesondere Kosovo, das nach dem Kosovo-Krieg 1999 unter UN-Verwaltung stand. Wirtschaftlich ist Albanien stärker entwickelt, während Kosovo noch immer auf internationale Unterstützung angewiesen ist. Politisch sind beide Republiken, aber Kosovo kämpft noch mit seiner vollen Anerkennung auf internationaler Ebene, was zu geopolitischen Spannungen führt.
Demokratisierung und der Wandel Albaniens
Auch in den folgenden Jahren gab es immer wieder politische Krisen, wie etwa 2009, als die Opposition Wahlfälschung vorwarf und das Parlament boykottierte. Der Boykott führte zu einem zweijährigen Stillstand im Parlament und wurde erst 2011 nach langen Verhandlungen beendet.
Seit 2013 leitet Edi Rama als Premierminister die albanische Regierung und verfolgt eine ambitionierte Reformagenda. Rama setzte zahlreiche Modernisierungen in Gang und strukturierte Ministerien und Verwaltungsapparate um. Heute befindet sich Albanien auf dem Weg zur Europäischen Union und setzt auf demokratische und wirtschaftliche Reformen, um den Anforderungen für eine EU-Mitgliedschaft gerecht zu werden.
Albanien heute: Geopolitische und Wirtschaftliche Herausforderungen
Heute ist Albanien ein aufstrebendes Land, das sich nach Jahrzehnten der Isolation und kommunistischen Diktatur auf den Weg in die europäische Familie begibt. 1990 endete das kommunistische Regime, und Albanien öffnete sich der Welt. Seit 2014 ist das Land offizieller Beitrittskandidat der Europäischen Union. Die jüngsten Reformen im Rechtswesen und die Bekämpfung von Korruption sind wichtige Schritte auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft.
Die nationale Währung ist der albanische Lek (ALL). Obwohl Albanien Mitglied der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) ist und die EU-Integration ein wichtiges politisches Ziel des Landes darstellt, hat es noch keinen festen Plan, den Euro einzuführen. Die Verwendung des Euro ist jedoch in Albanien weit verbreitet, insbesondere im Tourismussektor und in grossen Städten wie Tirana. Viele Unternehmen akzeptieren den Euro zusätzlich zum Lek, und auch in Bankgeschäften wird der Euro oft verwendet.

Bild: Banka e Shqipërisë.
Geopolitisch ist Albanien in einer Region von strategischer Bedeutung. Als Mitglied der NATO seit 2009 steht es fest auf der Seite des Westens, insbesondere im Kontext der aktuellen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine. Der Krieg in der Ukraine hat die geopolitische Lage auf dem Balkan beeinflusst, und Albanien hat sich eindeutig mit den westlichen Staaten solidarisiert, indem es Sanktionen gegen Russland verhängt und militärische Unterstützung für die Ukraine zugesagt hat. Die wachsende Präsenz Russlands im Mittelmeer und in den Westbalkanländern stellt jedoch eine Herausforderung für die Stabilität in der Region dar. Albanien bleibt daher ein wichtiger Partner in den Bemühungen der westlichen Staaten, den Einfluss Russlands im Balkangebiet zu begrenzen und den Frieden auf dem europäischen Kontinent zu sichern.
Auch in wirtschaftlicher Hinsicht strebt Albanien ein stärkeres Wachstum an, insbesondere durch den Ausbau des Tourismus, die Verbesserung der Infrastruktur und die Entwicklung erneuerbarer Energien. Trotz dieser Fortschritte bleibt das Land weiterhin mit Problemen wie Arbeitslosigkeit, Armut und dem Abwanderungstrend der jungen Bevölkerung konfrontiert.
Albanien ist heute ein Land, das seine Vergangenheit aufarbeitet und stolz auf seine kulturellen und natürlichen Schätze ist. Touristisch hat sich das Land zu einem Geheimtipp in Europa entwickelt, und Städte wie Tirana und Saranda ziehen immer mehr internationale Besucher an. Die landschaftliche Vielfalt, von den Bergregionen des Nordens bis zu den Stränden der Albanischen Riviera, macht das Land einzigartig.
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Und wie sieht es in der Schweiz aus? Die albanische Gemeinschaft international
Die albanische Gemeinschaft in der Schweiz ist eine der grössten Migrantengruppen des Landes. Albaner kamen ursprünglich als Arbeitsmigranten in den 1960er und 1970er Jahren, vor allem aus dem ehemaligen Jugoslawien, als die Schweiz Arbeitskräfte aus Südeuropa anwarb. Ein grosser Teil der ersten Generation stammte aus dem Kosovo, aber auch aus Albanien und Nordmazedonien. Anfangs waren sie vor allem als Gastarbeiter in der Landwirtschaft, im Bauwesen und in der Industrie tätig.
In den 1990er Jahren nahm die Zahl der albanischen Migranten zu, als der Krieg im Kosovo und die politischen Unruhen in Jugoslawien Tausende von Albanern zur Flucht zwangen. Viele fanden in der Schweiz Asyl und haben sich seither dauerhaft niedergelassen. Die albanische Gemeinschaft ist heute in vielen grossen Städten wie Zürich, Genf und Basel präsent. Die albanische Sprache und Traditionen spielen weiterhin eine wichtige Rolle, und viele haben heute ein Interesse daran, in der Schweiz albanisch zu lernen. Gleichzeitig sind viele Albaner in der Schweiz bilingual und haben gute Kenntnisse der Landessprachen wie Deutsch, Französisch oder Italienisch.