Wissenschaft bedeutet eine ständige Gratwanderung zwischen blindem Glauben und Neugier, zwischen Fachwissen und Kreativität, zwischen Voreingenommenheit und Offenheit, zwischen Erfahrung und Erleuchtung, zwischen Ehrgeiz und Leidenschaft, zwischen Arroganz und Überzeugung - kurzum: zwischen einem alten Heute und einem neuen Morgen.
Heinrich Rohrer
Heinrich Rohrer, Schweizer Physiker und Nobelpreisträger, war einer der genialen Köpfe hinter der Erfindung des Rastertunnelmikroskops. Dieses bahnbrechende Instrument ermöglichte es Wissenschaftlern zum ersten Mal, einzelne Atome zu sehen und zu manipulieren. Es veränderte das Verständnis von Materie grundlegend. Seine Erfindung legte den Grundstein für die moderne Nanotechnologie, die heute in vielen Bereichen, von der Medizin bis zur Elektronik, eine entscheidende Rolle spielt.
Mit seinem Forscherdrang und einem kreativen Ansatz hat Rohrer die Art und Weise, wie wir die Welt auf atomarer Ebene verstehen, radikal verändert. Zusammen mit seinem Kollegen Gerd Binnig wurde er 1986 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet – ein Meilenstein in der Wissenschaft.
Die Karriere von Heinrich Rohrer: Von Zürich in die Welt
Heinrich Rohrer wurde 1933 in Buchs, Schweiz, geboren und wuchs in einer ländlichen Gegend auf, wo er schon früh eine Leidenschaft für die Natur und Wissenschaft entwickelte. Er studierte Physik an der ETH Zürich - einer der renommiertesten technischen Hochschulen Europas, an der vor ihm bereits Grössen wie Albert Einstein forschten - und promovierte 1960 über Supraleitung unter Anleitung von Wolfgang Pauli, einem weiteren Nobelpreisträger.
Nach einem kurzen Forschungsaufenthalt in den USA kehrte Rohrer in die Schweiz zurück und trat 1963 in das IBM-Forschungszentrum in Zürich ein. Hier begann seine Zusammenarbeit mit Gerd Binnig, die 1978 zur Entwicklung des Rastertunnelmikroskops führte. IBM stellte die nötigen Ressourcen zur Verfügung, um diese Forschung zu fördern, und das Ergebnis war bahnbrechend.
Heinrich Rohrer und sein Kollege Gerd Binnig trieben in den späten 1970er Jahren die Forschung im Bereich der Nanotechnologie erheblich voran. Das IBM Zürich Forschungszentrum wurde durch ihre Arbeit international bekannt und bleibt bis heute ein führendes Institut für technologische Innovationen. Dank ihrer Entdeckung konnte die Wissenschaft fortan auf atomarer Ebene arbeiten, was zu zahlreichen weiteren Durchbrüchen in der Materialforschung führte.
Die Erfindung des Rastertunnelmikroskops: Eine neue Art zu sehen
Das Rastertunnelmikroskop (Scanning Tunneling Microscope, STM) basiert auf dem Tunneleffekt, einem quantenmechanischen Phänomen, bei dem Elektronen durch eine Barriere "tunneln" können, obwohl sie dazu theoretisch nicht genügend Energie haben. Dies passiert, wenn die Spitze des Mikroskops extrem nahe an einer leitfähigen Oberfläche vorbeiführt – oft wenigr als einen Nanometer entfernt. Durch die Messung der Stromänderungen, die durch den Tunneleffekt entstehen, kann das RTM die atomare Struktur einer Oberfläche mit ausserordentlicher Präzision abbilden.
Die Entdeckung des Rastertunnelmikroskops durch Heinrich Rohrer und Gerd Binnig fügte sich in eine längere Tradition der Erforschung der atomaren und subatomaren Welt ein. Bereits der Schweizer Physiker Felix Bloch trug massgeblich zur Erforschung der Materie auf mikroskopischer Ebene bei, als er die Kernmagnetresonanz (NMR) entwickelte. Diese Technik, die heute in der Magnetresonanztomographie (MRT) verwendet wird, baut ebenso wie das Rastertunnelmikroskop auf den Prinzipien der Quantenmechanik auf und ermöglichte es Wissenschaftlern, tief in die Struktur von Atomen und Molekülen einzutauchen.
Wie funktioniert das Rastertunnelmikroskop im Detail?
Das Rastertunnelmikroskop besteht aus einer unglaublich feinen Spitze, die über die zu untersuchende Oberfläche fährt. Diese Spitze, typischerweise aus Wolfram oder Platin hergestellt, tastet die Oberfläche Punkt für Punkt ab, während eine elektrische Spannung zwischen der Spitze und der Probe anliegt. Wenn die Spitze einem Atom näherkommt, beginnt ein Strom zu fliessen, obwohl die beiden Objekte sich nicht berühren. Durch die Messung dieser winzigen elektrischen Ströme kann eine Karte der Oberfläche auf atomarer Ebene erstellt werden.1
Dieser Durchbruch bedeutete, dass Wissenschaftler nun einzelne Atome sehen und manipulieren konnten – eine Fähigkeit, die zuvor unvorstellbar war. Das RTM war somit der Schlüssel zur Nanotechnologie, die es Forschern ermöglicht, Materialien auf atomarer Ebene zu untersuchen und zu gestalten.
📺 Hier ein Video, das die Funktionsweise nochmal anschaulich darstellt:
Das Rastertunnelmikroskop als Werkzeug zur Manipulation von Atomen
Eine der faszinierendsten Fähigkeiten des Rastertunnelmikroskops liegt aber nicht nur in der Beobachtung, sondern auch in der gezielten Manipulation von Atomen. Diese Technik erlaubt es Wissenschaftlern, Atome präzise zu bewegen und sie neu anzuordnen, um Strukturen auf atomarer Ebene zu schaffen. Dieses Verfahren wird oft als atomare Manipulationbezeichnet und hat enorme Auswirkungen auf die Entwicklung von Nanotechnologien und Quantencomputern.
Mit dem STM können Forscher beispielsweise nanometergrosse Schaltkreise oder sogar einzelne Moleküle so positionieren, dass sie spezifische chemische Reaktionen eingehen. Ein berühmtes Beispiel dieser Anwendung stammt aus dem Jahr 1989, als IBM-Wissenschaftler das IBM-Logo mit einzelnen Xenon-Atomen auf einer Nickeloberfläche schrieben – ein beeindruckendes Kunstwerk auf atomarer Ebene, das die Präzision und das Potenzial des Rastertunnelmikroskops demonstriert.2
Durch die Manipulation einzelner Atome können Wissenschaftler heute Strukturen erschaffen, die extrem kleine Transistoren oder andere Bauelemente für die Computertechnologie der Zukunft darstellen. Diese Fähigkeit eröffnet neue Möglichkeiten für die Herstellung von molekularen Maschinen und die Entwicklung von Quantencomputern, die die Technologie in den kommenden Jahrzehnten revolutionieren könnten.
Das STM ist daher nicht nur ein Beobachtungsinstrument, sondern ein aktives Werkzeug, das es ermöglicht, die materielle Welt auf atomarer Ebene zu gestalten und zu verändern – und somit die Zukunft der Technologie grundlegend zu beeinflussen.
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Die Auswirkungen der Erfindung: Wie das Rastertunnelmikroskop die Wissenschaft revolutionierte
Das STM ermöglichte eine völlig neue Art des Sehens, und seine Auswirkungen auf die Wissenschaft sind bis heute immens. Mit seiner Fähigkeit, Atome auf Oberflächen zu erfassen, hat das RTM den Weg für viele der Technologien geebnet, die heute in verschiedenen Bereichen genutzt werden:
Materialwissenschaft und Quantenmechanik
Das STM ist ein unverzichtbares Werkzeug in der Materialwissenschaft, da es die Untersuchung von Halbleitern und anderen Materialien auf atomarer Ebene ermöglicht. Forscher können die atomare Struktur analysieren, um die Eigenschaften von Materialien zu verstehen und zu verbessern – ein entscheidender Faktor bei der Entwicklung neuer Technologien wie Quantencomputern.

💡 Ein besonders spannender Einsatz des Rastertunnelmikroskops ist die Erforschung von Supraleitern - Materialien, die elektrischen Strom ohne Widerstand leiten können. Dies eröffnet Möglichkeiten für effizientere Stromnetze und sogar schnellere Computer. Mehr zu Supraleitern und ihrem Erfinder erfährst du auch in diesem Artikel.
Medizinische Anwendungen
Auch in der Medizin spielt die Nanotechnologie dank des STM eine zunehmend wichtige Rolle. Mit dem Rastertunnelmikroskop können Wissenschaftler biologische Moleküle wie Proteine und DNA auf atomarer Ebene untersuchen, was zu Fortschritten bei der Entwicklung neuer Medikamente führt. Dies könnte in der Zukunft bahnbrechende Therapien ermöglichen, zum Beispiel in der Krebsforschung oder bei der Behandlung von genetischen Erkrankungen.

Technologie und Miniaturisierung
Die Fähigkeit, Materialien auf atomarer Ebene zu manipulieren, hat direkte Auswirkungen auf die Miniaturisierung elektronischer Geräte. Moderne Mikroprozessoren und Speicherchips profitieren von den Erkenntnissen, die durch das STM gewonnen wurden. Viele dieser Technologien wären ohne Rohrers und Binnigs Erfindung nicht denkbar.
Blick in die Zukunft
Die Erfindung des Rastertunnelmikroskops hat den Weg für die Nanotechnologie geebnet und es ermöglicht, Materie auf atomarer Ebene zu erforschen und zu manipulieren. Doch was bringt die Zukunft für diese Technologie? Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt, und die Nanotechnologie könnte in den kommenden Jahrzehnten weiterhin bahnbrechende Entwicklungen hervorbringen, die zahlreiche Industrien verändern werden.
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Quantencomputer und Informationstechnologie
Eine der vielversprechendsten Entwicklungen, die durch die atomare Manipulation ermöglicht wird, ist der Quantencomputer. Im Gegensatz zu herkömmlichen Computern, die auf binären Bits basieren (0 oder 1), arbeiten Quantencomputer mit Qubits, die gleichzeitig mehrere Zustände annehmen können. Dies führt zu einer exponentiellen Steigerung der Rechenleistung, was komplexe Probleme löst, die für heutige Computer unmöglich zu bewältigen sind.3
Das STM könnte eine Schlüsselrolle bei der Weiterentwicklung von Quantencomputern spielen. Es erlaubt die Platzierung und Kontrolle einzelner Atome, die als Qubits fungieren. Die Präzision, die das Rastertunnelmikroskop bietet, ist unerlässlich, um die empfindlichen Strukturen zu bauen, die für die Entwicklung von stabilen und funktionierenden Quantencomputern erforderlich sind. Unternehmen und Forschungsinstitute auf der ganzen Welt, darunter auch Google und IBM, investieren intensiv in diese Technologie, die das Potenzial hat, die Kryptographie, die Materialwissenschaften und sogar die Klimaforschung zu revolutionieren.
Nanomedizin: Winzige Lösungen für grosse Herausforderungen
Ein weiteres spannendes Anwendungsfeld ist die Nanomedizin, bei der winzige Maschinen auf atomarer oder molekularer Ebene eingesetzt werden, um Krankheiten zu diagnostizieren und zu behandeln. Forscher arbeiten an der Entwicklung von nanotechnologischen Medikamenten, die gezielt kranke Zellen angreifen, ohne dabei gesunde Zellen zu schädigen – eine grosse Hoffnung in der Krebstherapie. Dank des STMs können Wissenschaftler einzelne Moleküle und Proteine untersuchen und verändern, um neuartige, massgeschneiderte Medikamente zu entwickeln.
Ein visionäres Beispiel sind sogenannte Nanobots, die eines Tages durch den Blutkreislauf eines Menschen reisen könnten, um schädliche Zellen zu zerstören oder beschädigte Gewebe zu reparieren.4 Diese Art von präziser Medizin könnte chronische Krankheiten behandeln und Lebensqualität enorm verbessern.
Ethische Herausforderungen
Mit den enormen Chancen der Nanotechnologie gehen auch ethische Herausforderungen einher. Die Fähigkeit, Atome und Moleküle gezielt zu manipulieren, könnte tiefgreifende Veränderungen in verschiedenen Bereichen bewirken, darunter in der Genforschung, der Künstlichen Intelligenz und der Umweltwissenschaft. Dies wirft Fragen auf, wie weit der Mensch in der Lage sein sollte, in die Natur einzugreifen.
Die Möglichkeit, Materie auf atomarer Ebene zu verändern, könnte in der Genetik die Tür zu neuen Formen der Gentherapie öffnen, aber auch Missbrauchspotenzial bieten, wie etwa bei der Manipulation menschlicher Embryonen. Auch im Bereich der Umwelttechnologien könnte die Nanotechnologie sowohl grosse Vorteile bieten, indem sie etwa verschmutzte Gewässer reinigt oder neue Energiequellen erschliesst, aber zugleich stellt sich die Frage, welche Risiken mit der Freisetzung von Nanopartikeln in die Umwelt verbunden sind.
Grenzen der STM-Technologie
Trotz ihrer unglaublichen Potenziale stehen STM und die damit verbundene Nanotechnologie weiterhin vor Herausforderungen. Die Manipulation einzelner Atome erfordert extrem kontrollierte Bedingungen, wie etwa ein ultrahohes Vakuum und extrem niedrige Temperaturen, um Stabilität zu gewährleisten. Zudem sind die technischen Geräte nach wie vor sehr teuer und erfordern hochqualifizierte Experten, um sie zu bedienen.
Auch der Schritt von der Laborforschung hin zur Massenproduktion von Technologien, die das STM verwenden, ist eine Hürde, die noch zu überwinden ist. Doch mit stetigen Fortschritten in der Technik und der wachsenden Bedeutung der Nanotechnologie ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Rastertunnelmikroskop nicht nur in der Forschung, sondern auch in der industriellen Praxis eine noch grössere Rolle spielt.
Ein Vermächtnis für die Zukunft
Heinrich Rohrer hat mit dem Rastertunnelmikroskop die Grenzen des Möglichen erweitert und gehört damit zweifelslos zu den einflussreichsten Physikern der Schweiz. Was einst als rein theoretisches Konzept in der Quantenmechanik begann, wurde durch Rohrer und Binnig Realität. Ihre Arbeit hat nicht nur die Physik revolutioniert, sondern auch viele andere Disziplinen beeinflusst.
Das Rastertunnelmikroskop bleibt bis heute eines der wichtigsten Werkzeuge in der Nanotechnologie, und die Entdeckungen, die damit gemacht werden, tragen dazu bei, unsere Welt besser zu verstehen – von der atomaren Ebene bis hin zu grosstechnologischen Anwendungen.
Quellenangaben
- ETH Zürich: https://ethz.ch/content/dam/ethz/special-interest/dual/educeth-dam/documents/Unterrichtsmaterialien/physik/Raster-Tunnel-Mikroskop%20(Leitprogramm)/kapitel1.pdf
- Binning, Gerd: https://www.leifiphysik.de/atomphysik/quantenmech-atommodell/ausblick/rastertunnelmikroskop
- Stieler, Wolfgang: https://www.heise.de/news/Quantencomputing-mit-dem-Tunnel-Mikroskop-9336946.html
- Termanini, Rocky: https://www.sciencedirect.com/topics/engineering/nanobots#:~:text=A%20nanorobot%20is%20an%20autonomic,build%20and%20manipulate%20things%20precisely.








