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Früher war es selbstverständlich, dass alle Musikanfänger, die ein Instrument lernen wollten, erstmal Noten lesen lernen mussten. Vor allem in der klassischen Musik sind Musiktheorie und das Notationssystem unverzichtbare Werkzeuge für Musiker*innen, Sänger*innen und Dirigent*innen. Heutzutage sieht das etwas anders aus. Auch wenn die Notenlehre immer noch ein wichtiger Teil des Unterrichts in der Musikschule ist, erleben die Methoden zum Klavier spielen Lernen ohne Noten einen großen Aufschwung. Immer mehr Expert*innen vertreten die Ansicht, dass Praxis wichtiger sei als Theorie, das Gehör wichtiger als das Notenlesen und schöpferische Freiheit wichtiger als strikter Unterricht. Man kann sich also fragen, warum Musiktheorie und Notenlesen für Musikkurse, Gesangsunterricht und Klavierlehrer*innen so wichtig sind und was das für Anfänger*innen bedeutet. Lohnt es sich, das Risiko einzugehen, oder stürzt man sich geradewegs in den Abgrund, wenn man beim Klavier Lernen die Grundlagen der Musiktheorie auslässt?
Musiktheorie, Solfège, Harmonielehre – was ist das überhaupt?
Häufig werden die Begriffe Notenlehre, Solfège, Harmonielehre und Musiktheorie einfach gleichgesetzt und synonym verwendet. Das kann gerade bei Musik Anfänger*innen für große Verwirrung sorgen. Tatsächlich gehören sie alle zusammen, überschneiden sich teilweise auch. Aber genau genommen handelt es sich beim Solfège (auch Solfeggio), der Notenlehre und der Harmonielehre um Teilgebiete der Musiktheorie, die alle unterschiedlichen Zwecken dienen. Schauen wir uns also einmal an, was in den einzelnen Bereichen genau behandelt wird.
Musiktheorie
Wie bereits erwähnt, ist Musiktheorie ein Oberbegriff, der verschiedene Disziplinen zusammenfasst. Dazu gehören auch die Formenlehre, Instrumentenkunde, musikalische Analyse, Generalbass, Tonsatz und Akustik. Die meisten dieser Bereiche werden Dich als Piano Anfänger*in nicht wirklich interessieren. Sie sind vor allem in der theoretischen Betrachtung von Musik wichtig und werden erst relevant, wenn Du weiter fortgeschritten bist oder Dich dem Komponieren von Musikstücken befassen möchtest. Notenlehre, Solfège und Harmonielehre hingegen werden oft schon ab der ersten Lektion unterrichtet, da sie den Einstieg ins Musizieren erheblich erleichtern können, beziehungsweise eine Grundvoraussetzung dafür sind.
Notenlehre
Die Notenschrift hast Du bestimmt schon mal gesehen; schwarze und weiße Punkte auf fünf Linien, die mit allerlei Strichen, Balken und Bögen versehen sind. Sie ist dazu da, Musik so genau wie möglich aufzuschreiben. Man kann daraus herauslesen, welcher Ton wie lange gespielt werden soll, wo eine Pause gemacht werden muss und wie jede einzelne Note betont werden sollen. In der Notenlehre geht es darum, diese Schrift lesen und auch schreiben zu lernen. Das funktioniert im Grunde nicht anders, wie Du auch die Schrift der deutschen Sprache gelernt hast. Am Anfang geht es darum, die Zeichen kennen zu lernen und zu verstehen, welche Bedeutung au haben.
Solfeggio
Bereits im Mittealter wurde Solfège unter diesem Namen gelehrt. Es handelt sich dabei um eine Tonlehre, bei der man lernt, eine Partitur (geschriebene Noten) zu singen oder auf einem Instrument zu spielen. Die Notenlehre ist also eine Grundvoraussetzung, um sich tiefer mit Solfeggio zu beschäftigen. In Musikschulen wird sie häufig auch als Teilbereich des Solfège-Kurses unterrichtet. Die zweite wichtige Komponente ist die Gehörbildung. Man lernt die Intervalle (Tonabstände) mit dem Gehör zu erkennen, um sie dann selbst nachsingen zu können. Vielleicht kannst Du Dich noch an den Musikunterricht in der Grundschule erinnern, als ihr Do Re Mi Fa So La Ti Do gesungen und jeder Silbe eine andere Tonhöhe zugeordnet habt. Das ist die sogenannte Solmisation, die im 11. Jahrhundert von Guido von Arezzo erfunden wurde und bis heute die Basis für das Solfège bildet. Die Übungen beschränken sich aber nicht nur auf die Höhe und Abstände von Tönen sowie der entsprechenden Verschriftlichung. Auf einem Notenblatt kannst Du auch ablesen, wie lange eine Note gespielt oder gesungen werden soll. Wenn man mehrere Noten aneinanderreiht, ergibt sich ein Rhythmus. Im Solfège-Unterricht wirst Du erstmal lernen, die Rhythmen zu klopfen oder zu klatschen.
Harmonielehre
In der Harmonielehre geht es nicht mehr nur um einzelner, sondern um das Zusammenspiel verschiedener Töne. Erklingen mehrere Töne gleichzeitig, spricht man von einem Akkord. Werden mehrere Akkorde aneinandergereiht, entstehen Akkordfolgen. Die Harmonielehre beschäftigt sich nun mit den Akkorden im Dur-Moll-tonalen System. Hier wirst Du lernen, wie Akkorde aufgebaut sind, wie Du sie verändern kannst und welche warum ganz besonders gut nacheinander gespielt werden können.
Musiktheorie fürs Piano- braucht man das?
Theorie Unterricht – das klingt für viele nach einem humorlosen alten Lehrer in einem dunklen, stickigen Klassenzimmer, während man doch lieber draußen spielen möchte. Kein Wunder also, schrecken viele Leute davor zurück, ein Instrument zu lernen, wenn ihnen klar wird, dass dazu auch theoretische Kenntnisse gehören.
Kann man ohne Notenkenntnisse Klavier spielen lernen?
Bei den immer zahlreicheren alternativen Lernmethoden geht es meist darum, ohne Notenkenntnisse Klavier spielen zu lernen. Das Lernen erfolgt wie bei einem kleinen Kind, dass sprechen lernt, über beobachten und nachahmen. Je nach Methode beobachtest Du eine*n Klavierlehrer*in (in der Musikschule, über eine Webcam oder in einem aufgezeichneten Video), hörst Dir die Erklärungen an und versuchst danach alles genauso nachzumachen. Eine andere Variante wird hauptsächlich in online Kursen und Apps verwendet: Dir wird anhand von Farben angezeigt, wann Du welche Taste wie lange drücken musst. Die Grundidee ist immer die Gleiche: Du konzentrierst Dich nicht auf eine Schrift, die Du erstmal mühsam entziffern musst, sondern fängst gleich an zu spielen. Dadurch kannst Du Deine Aufmerksamkeit mehr auf das Hören richten. Denn das Klavier spielen ohne Noten funktioniert nur über ein gut ausgebildetes Gehör. Anstelle der der Notenlehre wirst Du Dich also bei dieser Art des Lernens vermehrt mit Gehörbildung beschäftigen. Du wirst üben, Songs nach Gehör nachzuspielen oder sogar ganz frei Klavier zu spielen, zu improvisieren. Bei beidem ist es aber ab einem gewissen Punkt sehr hilfreich, Kenntnisse der Harmonielehre zu haben. Durch sie wirst Du schneller die Akkorde eines Songs herausfinden können und eine Grundlage haben, auf der Du improvisieren kannst. Zum Aufschreiben von Musik, ohne die Notenschrift zu verwenden, werden Akkordsymbole verwendet. So kann der Ablauf eines Stücks für alle verständlich auf einem Leadsheet notiert werden. Um damit arbeiten zu können, musst Du natürlich wissen, was die Symbole genau bedeuten und wie Du den Rhythmus gestalten kannst.
Was bringen Theoriekenntnisse beim Klavierspielen?
Zum freien Klavierspiel und dem Spielen nach Gehör, sind also Notenkenntnisse nicht zwingend erforderlich. Das heißt aber nicht, dass Du ganz ohne Theoriekenntnisse auskommen wirst. Du kannst sie als Leitfaden sehen, der Dir Ideen gibt, auf die Du Dich verlassen kannst. Das ermöglicht Dir schlussendlich eine größere Kreativität, da Du jederzeit, auf etwas zurückgreifen kannst, dass auf jeden Fall funktionieren wird. Wenn Du Dich für klassische Musik interessierst, wirst Du ums Notenlesen lernen nicht herumkommen. Klassische Stücke werden nun mal in Notenschrift niedergeschrieben, damit sie möglichst exakt nachgespielt werden können. Aber auch die Methoden, die erstmal keine Notenkenntnisse erfordern, werden Dir das Notenlesen irgendwann beibringen. Du lernst das dann anhand dessen, was Du bereits kennst. Meistens geht das recht spielerisch und schnell. Der Vorteil ist, dass Du bereits etwas Klavier spielen kannst und nicht entmutigt wirst, wenn das Notenlesen nicht sofort klappt. Die Notenschrift hat den großen Vorteil, dass sie international und zeitlos ist. Wenn Du Noten lesen kannst, kannst Du also genauso ein Stück von Mozart, wie auch das eines zeitgenössischen australischen Komponisten spielen lernen. Wenn Du Dich früher oder später der Harmonielehre widmest, wirst Du froh sein, wenn Du Dich zuvor bereits mit einigen Grundlagen der Notenlehre beschäftigt hast. Denn sie wird normalerweise verwendet, um Akkorde und Tonleitern darzustellen. Die Musiktheorie im Allgemeinen wird Dir bei der Verständigung mit anderen Musiker*innen helfen. Sie erlaubt es komplexere Abläufe und Details in kurzen unmissverständlichen Sätzen auszudrücken.
Grundwissen Musiktheorie
Im klassischen Klavierunterricht gehört die Notenlehre von Anfang an dazu. Bei anderen Lehrmethoden wird sie erst später in den Unterricht eingeführt. Du hast aber natürlich auch die Möglichkeit, die Klaviernoten autodidaktisch zu erlernen.
Die Notenschrift lesen lernen
Im ersten Moment scheint Dir das vielleicht unmöglich. Auf einem Notenblatt sind so viele unterschiedliche Dinge eingetragen, dass es schier unmöglich scheint, sich das innerhalb kurzer Zeit, ohne viel Büffelei, aneignen zu können. Am Ende geht es aber nicht ums Auswendiglernen, sondern ums Verstehen. Teile Dir das Lernen auf und kümmere Dich nicht um alles gleichzeitig. Ein Teil besteht darin, die Tonhöhe aus Noten ablesen zu lernen und die entsprechenden Tasten auf dem Klavier zu spielen. Die Tonhöhe erkennst Du daran, auf welcher Notenlinie oder in welchem Zwischenraum eine Note steht. Wenn zwei nahe beieinander liegen, werden sie auch auf Deiner Klaviertastatur nicht weit auseinander sein.
Einstieg in die Harmonielehre
Wenn Du Dich mit der Notenlehre beschäftigst und anfängst, nur die weißen Tasten zu spielen, kannst Du bereits die erste Tonleiter spielen. Beginnt man auf dem Ton C und spielt jede weiße Taste der Reihe nach, bis man beim nächsten C angelangt ist, hat man eine C-Dur-Tonleiter gespielt. Spielst Du nun den ersten, dritten und fünften Ton der Tonleiter gleichzeitig (C – E – G), erhältst Du einen C-Dur-Akkord. Davon kannst Du alle weiteren Dur-Dreiklänge und Tonleitern ableiten. Denn: der Buchstabe sagt Dir, welches Dein Grundton ist, die Bezeichnung Dur gibt Dir Auskunft darüber, wie groß der Abstand von einem Ton zum nächsten ist. Das Gleiche gilt schließlich auch für die Moll-Tonleitern und Moll-Akkorde. Hier sind es einfach nur andere Abstände als in Dur. Auch hier geht es weniger ums Auswendiglernen, als ums Verstehen. Für jede Art von Tonleiter und Akkord gibt es eine Formel, die Du dann nur auf den gewünschten Grundton übertragen musst. Das zu verstehen ist die Voraussetzung, um dann einen Schritt weiterzugehen und Akkordfolgen zu lernen. Denn auch sie basieren auf Tonleitern und den dazugehörigen Akkorden.
Unsere Tipps zum Thema Musiktheorie & Klavier Online Lernen
Während klassischer Klavierunterricht München von Anfang an auch die Grundlagen der Musiktheorie vermittelt, verzichten andere Methoden erstmal darauf und führen sie, wenn überhaupt erst später ein. Das Eine ist nicht besser als das Andere, es sind einfach nur zwei verschiedene Möglichkeiten, Dir die Musik näher zu bringen.
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