Kapitel
“Nutze den Tag, der wie eine Welle verrinnt.” Horaz
Die Literatur des antiken Roms wurde in lateinischer Sprache verfasst. Mit der Expansion des römischen Reiches und römischen Erfindungen, kam Latein auch durch die Literatur in die ganze damals bekannte Welt und wurde die dominierende Sprache Westeuropas.
Die lateinische Sprache wurde bis zum 18. Jahrhundert in der Hochschulbildung und in den diplomatischen Beziehungen verwendet und ist nach wie vor die universelle Sprache der katholischen Kirche. Bis vor nicht allzu langer Zeit, war die Kenntnis der klassischen lateinischen Literatur für westliche Bildungsbürger ein absolutes Muss und Latein Nachhilfe in der Nähe zu finden war bedeutend einfacher als heutzutage.

Latein war ursprünglich der Dialekt der Region Rom. Die frühesten Inschriften in lateinischer Sprache stammen aus dem sechsten Jahrhundert vor Christus, während die ersten schriftlichen Texte aus dem dritten Jahrhundert vor Christus stammen. Zuerst wurde griechische Literatur ins Lateinische übersetzt bis Latein in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. selbst eine Kultursprache mit eigener Literatur wurde.
Klassisches mündliches Latein
Die kultivierte Form der gesprochenen Sprache ist in den Komödien von Plautus und Terenz sowie in Briefen und Reden von Cicero und in den Satiren und Briefen von Horaz dokumentiert, nicht zu verwechseln mit dem Sermo Plebeius, dem vom Volk gesprochenen Vulgärlatein. Auch die untersten Gesellschaftsschichten im alten Rom schrieben gerne, wenn auch nicht unbedingt grosse Literatur: Im Putz der Mauern antiker Städte finden sich genau wie heute Graffitis und Gekritzel der Bürger.
Die ersten Lebenszeichen der lateinischen Literatur stammen aus dem dritten Jahrhundert vor Christus.
Epische und lyrische Poesie, Geschichte, Rhetorik, Drama und der literarische Stil der ironischen Komödie sind die wichtigsten literarischen Errungenschaften der Römer.
Die wichtigsten römische Autoren
Der Dichter Lucius Livius Andronicus (ca. 280 vor Chr. bis ca. 200 vor Chr.), gilt als Begründer der römischen Literatur. Er schaffte die stilistischen Grundlagen der lateinischen Dichtersprache. Sein bedeutendstes Werk ist die Odusia, eine Übersetzung der griechischen Odyssee. Er schrieb aber auch Tragödien, Komödien und Lyrik. Keines seiner Werke ist vollständig erhalten.
Quintus Ennius (239 vor Chr. bis 169 vor Chr.) gilt als Vater der römischen Poesie. Seine Tragödien sind freie Nachdichtungen der griechischen Originale. Er verwendete bevorzugt den daktylischen Hexameter, der durch ihn in der lateinischen Epik üblich wurde.
Plautus (254 v. Chr. bis 184 v. Chr.), war einer der ersten und produktivsten Komödiendichter im alten Rom. Als Jugendlicher schloss er sich einer umherziehenden Theatertruppe an. Dann wurde er römischer Soldat, später Kaufmann, zuletzt Müller. Erst mit 45 Jahren beginnt er, Komödien zu schreiben und hat damit bald grossen Erfolg. Er inspirierte große Meister wie William Shakespeare, Heinrich von Kleist sowie Molière und beeinflusst die europäische Komödie bis heute.

Ein weiteres römisches Genie im Bereich der Komödie war Terenz (ca. zwischen 195 und 184 v. Chr. bis 159 oder 158 v. Chr.). Er war der Sklave eines Senators, der als Freigelassener mit dem Schreiben begann (die römischen Sklaven waren mitnichten alle ungebildet). Er verzichtete im Gegensatz zu dem etwa 50 Jahre älteren Plautus auf Vulgäres. Mit seiner gepflegten Sprache, fanden Terenz’ Komödien besonders bei den gebildeten Schichten schnell Anklang. Die breite Masse dagegen fand erst allmählich einen Zugang zu seinen Stücken, da das römische Publikum sich lieber blutigen Gladiatorenspielen zuwandte.
Der Vorläufer der grossen Ära römischer Poesie war Titus Lucretius Carus, oder Lukrez (etwa zwischen 99 und 94 v. Chr. bis etwa um 55 oder 53 v. Chr.). Seine langen Gedichte sind komplex, aber er schrieb auch kürzere lyrische Gedichte, von denen einige Liebeserklärungen an eine Frau oder seinem toten Bruder gewidmet sind. Andere sind sehr humorvoll. Sein wichtigstes Werk, De rerum natura, “Über die Natur der Dinge”, besteht aus sechs Büchern mit knapp über 7400 Versen. Die Bücher 1 und 2 behandeln die Grundlagen der epikureischen Naturphilosophie, die Bücher 3 und 4 die Physiologie und Psychologie des Menschen, Buch 3 behandelt die Sterblichkeit der Seele, für die Lukrez Beweise präsentiert. Buch 4 behandelt die Sinneswahrnehmung sowie Sexualität und Liebe. Als wirksames Mittel gegen Liebeskummer, empfiehlt Lukrez seinen Lesern den Bordellbesuch. Die Bücher 5 und 6 sind naturwissenschaftlichen Phänomenen gewidmet. Über sein Leben ist nicht viel bekannt, aber sein Werk darauf hin, dass er sehr gebildet war. Sein Werk beeinflusste europäische Gedichte, als es zu Beginn der Renaissance wiederentdeckt wurde.
Publius Vergilius Maro, oder einfach Vergil (15. Oktober 70 v. Chr. bis 21. September 19 v. Chr.) galt bereits zu seinen Lebzeiten aber auch noch lange später als der größte lateinische Dichter. Maecenus, ein Vertrauter von Kaiser Augustus, versammelte zu dieser Zeit, römische Schriftsteller um den Kaiser. (Aus dem Namen Maecenus entwickelte sich übrigens das Wort "Mäzen" für einen Förderer der Künste.) Zu den Schriftstellern am Hofe gehörte auch Vergil. Zu Beginn seiner Karriere schrieb er die Eclogues, zehn stilvolle und lebendige Gedichte, die zu Vorbildern ihrer Art wurden. Er schrieb auch Gedichte über das Leben der Bauern und schließlich sein Meisterwerk “Die Aeneis”, in der Vergil die Flucht des Aeneas, dem Sohn der Göttin Venus, aus Troja erzählt. Mit seinem blinden Vater Anchises auf den Schultern entkommt Aeneas aus der brennenden Stadt. Aeneas wird zum Stammvater der Römer. Romulus und Remus gelten seine Nachfahren. Die Dichtung feiert die nie endende Herrschaft Roms.
Die lyrische Tradition wurde mit einer Reihe von Dichtern fortgesetzt, die noch heute gelesen werden. Ein Freund von Vergil, Horaz ( 8. Dezember 65 v. Chr. bis 27. November 8 v. Chr.), wurde Meister darin, griechische Oden geschickt an Latein anzupassen. Er ist berühmt für seine Oden und Epoden sowie seine beißenden Satiren.
Catull (etwa 84 v. Chr. bis 54 v. Chr.) war ein lateinischer Lyriker, der als einer der bedeutendsten Vertreter der altrömischen Versdichtung gilt. Catulls Vater war ein wohlhabender Bürger, was Catull zu einem unabhängigen Mann machte, der es sich leisten konnte, auch so hochrangige römische Persönlichkeiten wie Julius Caesar zu verspotten. Seine beleidigenden Gedichte erregten schließlich den Zorn des mächtigen Triumvirats, der eine Entschuldigung verlangte, die dann auch kam. Catull hatte aber auch zahlreiche einflussreiche Freunde wie Caesars General Gaius Asinius Pollio und den Historiker Cornelius Nepos. Er schrieb aber nicht nur Schmähgedichte, sondern auch erotische Gedichte, darunter an einen jungen Mann namens Iuventius, an eine Prostituierte namens Ipsitilla und hauptsächlich an eine Frau, die er „Lesbia“ nennt, eine Anspielung auf die Insel Lesbos, wo die von Catull verehrte griechische Dichterin Sappho lebte. Seine carmine, seine Kussgedichte, inspirierten immer wieder antike, mittelalterliche und neuzeitliche Dichter.
Gaius Cornelius Gallus (70 v. Chr. bis ca. 26 v. Chr.) war nicht nur ein römischer Politiker, sondern auch Dichter. Er stammte aus niederen Verhältnissen. Er gilt durch seine vier Bücher mit Elegien auf seine Geliebte, die Schauspielerin Cytheris, als Begründer der römischen Elegie, einer neuen Gattung römischer Dichtung.
Diese Tradition der Liebeselegien, die mit Gallus begann, wurde mit Tibull (ca. 48-19 v. Chr.) melancholisch fortgesetzt. Seine ergreifenden Liebesgedichte richten sich an einen jungen Geliebten namens Marathus, an eine Frau namens Delia und schließlich an eine neue Geliebte namens Nemesis. Seine Hauptthemen sind die Wirren komplizierter Liebesbeziehungen sowie die Sehnsucht nach einem einfachen, friedlichen Leben auf dem Lande…

Auch die Elegien von Sextus Propertius, zu deutsch Properz (etwa 47 v. Chr. bis ca. 2 v. Chr.), sind Aufzeichnungen seiner ziemlich kniffligen Privatangelegenheiten. In 22 Elegien wird hauptsächlich die Liebe zu einem Mädchen namens Cynthia thematisiert.
Die Tradition endete mit der Arbeit von Ovid ( 20. März 43 v. Chr. bis 17 n. Chr.), der neben Horaz und Vergil zu den drei großen Poeten der klassischen Epoche gehört. Er war schon zu Lebzeiten der meistgelesenste Dichter Roms und sein gut erhaltenes Werk hatte später grossen Einfluss auf die Dichtung, die bildende Kunst und die Musik des Mittelalters sowie des Barocks. Ovid war ein sehr produktiver Dichter und ist am bekanntesten für seine "Ars Amoria", ein ironisches Handbuch für die Liebe. Sein wichtigstes Werk, “Metamorphosen”, ist ein langes Gedicht über die alten Mythen.
Die jungen Männer wandten sich damals mit ihren Gedichten bewusst von den politischen und militärischen Geschehnissen im alten Rom ab und flüchteten sich in Liebesabenteuer.
Das goldene Zeitalter der römischen Poesie stimmte mit dem der Prosa überein. Der bekannteste Autor dieser Gattung, Cicero (3. Januar 106 v. Chr. bis 7. Dezember 43 v. Chr.), der übrigens die träumerischen Gedichte seiner jungen Zeitgenossen verachtete, war ein Politiker und Redner, dessen Rhetorik intensiv war und dessen politische Reden zum Vorbild für die spätere europäische Rede wurde. Cicero war Stoiker und schrieb neben Prosa und öffentlichen Reden auch römisch-philosophische Werke.
Ebenso berühmt als Prosaschreiber war ein bekannter Zeitgenosse von Cicero, Julius Caesar (13. Juli 100 v. Chr. bis 15. März 44 v. Chr.). Caesar war literarisch und rhetorisch geschult und zeichnete sich sowohl als großer Redner als auch als guter Schriftsteller aus. Seine Bücher zum Bürgerkrieg und Krieg in Gallien (De Bello Gallico und De Bello Civili) sind eindringlich geschrieben und wurden zu wichtigen Vorbildern in diesem Genre. Seine zahlreichen Bemerkungen zu den Lebensverhältnissen der Gallier, Germanen und Britannier zeugen von einer guten Beobachtungsgabe. Caesar schrieb aber auch Gedichte und Bücher zu Grammatik und Rhetorik.
Titus Livius (ca. 59 v. Chr. bis 17 n. Chr. ) war der wichtigste römische Historiker, der die lange Geschichte Roms aufschrieb. Sein 142 Bücher umfassendes Hauptwerk ist eine Hauptquelle aus dieser Zeit. Neben seinem historischen Werk verfasste Livius auch wissenschaftliche und philosophische Schriften.
Seneca (1 bis 65 n. Chr.), der berühmte Tutor von Kaiser Nero, war Stoiker und einer der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit. Er produzierte Werke in verschiedenen satirischen Stilen.
Der Sklave Phaedrus (20/15 v. Chr. bis ca. 50/60 n. Chr.), der unter Kaiser Augustus ein freier Mann wurde, dichtete Fabeln im jambischen Senar, einem sechsfüßigen Vers, dem Versmaß der volkstümlichen römischen Komödie. Er thematisiert darin gesellschaftskritisch die Beziehungen zwischen Herren und Sklaven, aber auch Alltagsbeziehungen in Rom.
(Wenn Du in den Alltag Roms eintauchen möchtest, empfehlen wir Dir unsere Auswahl an Filmen, die im antiken Rom spielen.)
Die kürzesten poetischen Formen, das Epigramm, wurden von Martial (1. März 40 n. Chr. bis 103 oder 104 n. Chr. ) perfektioniert, dessen Verse schlau und witzig waren. Er thematisierte das Alltagsleben der Römer ironisch und satirisch. Wichtige Themen sind der Unterschied zwischen arm und reich („Immer wirst du arm sein, wenn du arm bist, Aemilianus; heutzutage werden Reichtümer nur den Reichen gegeben.“) Tugend und Laster sowie die Licht- und Schattenseiten des Lebens („Das Leben ist ein ewiger Abschied. Wer aber von seinen Erinnerungen genießen kann, lebt zweimal.“) Er verspottet unfähige Ärzte, unbegabte Dichter, betrogene Ehemänner und eitle Schönlinge. Seine Werke bieten einen Einblick in das damalige Alltagsleben Roms.
Die Prosa des ersten Jahrhunderts enthält die Arbeit mehrerer namhafter Schriftsteller. Plinius der Ältere (23 bis 79 nach Chr.) war ein produktiver Schriftsteller, dessen Werk Naturalis historia über Generationen als Lehrbuch zur Naturgeschichte diente. Er starb während des großen Ausbruchs des Vesuvs.
Der erste bedeutende christliche Autor Tertullian (150 bis 220 nach Chr.) war ein Meister der Prosa. Er schrieb engagiert, leidenschaftlich und teilweise polemische juristische Plädoyers, Streitschriften (unter anderem gegen Juden) und Verteidigungsschriften für das Christentum. Er gilt heute als der Vater des Kirchenlateins.
Die verschiedenen Stilrichtungen der antiken römischen Literatur haben enormen Einfluss auf die spätere europäische Literatur ausgeübt.
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